28.08.2019

Der Pontiac GTO – Das erste Muscle-Car

Seit zehn Jahren ist die amerikanische Automarke Pontiac Geschichte. Der interessanteste Oldtimer, den die GM-Tochter in ihrer über 80-jährigen Markengeschichte gebaut hat, ist der GTO, ein Mittelklassewagen, unter dessen Haube ein bulliger V8 seine Muskeln spielen lässt. Mitte der 1960er-Jahre war das Auto der Startschuss für ein ganzes Segment PS-starker Boliden in den USA: die Muscle-Cars.

Muskeln statt Fett

Pontiac-Chefingenieur John DeLorean hatte die Idee für ein Mittelklassecoupé mit ordentlich Power. In dem 1962 als Spitzenmodell der Tempest-Baureihe eingeführten Pontiac Tempest LeMans fand er eine ideale Basis. So wurde 1964 die Ausstattungsvariante „W62 GTO“ mit einem 335 PS starken 6,4-Liter-V8-Aggregat geboren – brutal, wenn man bedenkt, dass ein LeMans ansonsten „nur“ auf 193 Pferdestärken zurückgreifen konnte. Ein Jahr später kam der Pontiac GTO als selbstständige Modellreihe auf den Markt. Er wird heute als das erste echte Muscle-Car bezeichnet.

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Greg Gjerdingen from Willmar, USA, 1964 Pontiac LeMans & GTO Convertible (19033730035), CC BY 2.0

Der Pontiac Tempest LeMans (vorne) und der GTO (hinten) unterschieden sich anfangs nur in Details, wie den Lufteinlässen auf der GTO-Haube.

Wenn ein GTO seine Muskeln spielen lässt, merkt man, warum er als Prototyp des Muscle-Cars gilt. Der 5,20 m lange Wagen hat kein Gramm zu viel. Mit 1.640 kg ist er für amerikanische Verhältnisse ein Leichtgewicht und das längs eingebaute V8-Aggregat bringt ihn auf eine Spitzengeschwindigkeit von etwa 200 Stundenkilometern. Die Abkürzung GTO, „Grand Tourismo Omologato“, ist von der Sportwagenikone Ferrari 250 GTO abgeleitet. Pontiac wollte die Leistung eines Ferraris für den Bruchteil seines Preises und damit italienisches Rennsportflair für den jungen amerikanischen Autofahrer bieten. Da der sportliche GTO für 2,500 US-Dollar zu haben war, ging DeLoreans Konzept voll auf. Im ersten Modelljahr 1965 verkaufte sich das Auto 30.000-mal, 1966 sogar knapp 100.000-mal.

Ein „Familiensportwagen“

Bei aller Kraft blieb der GTO ein regelrechtes Familienauto. Gegenüber anderen Muscle-Cars, wie beispielsweise einem Dodge Charger, den es auch in giftgrün gab, war er regelrecht dezent. Ein Armaturenbrett aus Walnussfurnier, verchromte Knöpfe und vier große Rundinstrumente verströmen tatsächlich etwas italienisches Flair. An Front und Heck dominieren wuchtige Chromstoßstangen und auffällige Scheinwerfermasken. Die Dreigangautomatik und der kraftvolle V8 bieten ein hohes Maß an Fahrkomfort. Die Lenkung ist sehr leichtgängig bis zur Gefühllosigkeit, dafür sind die Bremsen den Fahrleistungen absolut gewachsen. Das Fahrwerk ist weich abgestimmt und neigt zum Schaukeln. Wenn Papa den Familiensportwagen mal für sich hat, beschleunigt er tatsächlich von 0 auf 100 Stundenkilometern in 7 Sekunden und kann sich getrost mit anderen Sportwagen messen – fahrwerksbedingt allerdings nur bis zur ersten Kurve.

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Mit dem Modelljahr 1965 wurde die Scheinwerferanordnung geändert.

Ein kurzer Boom

In den 1950er-Jahren erblickte mit den „Baby-Boomern“ die Generation der späteren Muscle-Car-Käufer das Licht der Welt, die durch den wirtschaftlichen Aufschwung in der Lage war, sich schnelle Autos zu leisten. Der Preis des GTO war auf diese junge Käuferschicht abgestimmt. Sein Erfolg ließ die Konkurrenz aufhorchen und so kamen bald Muscle-Cars anderer Hersteller auf den Markt. Oft waren es NASCAR-Homologationsmodelle, mit denen die Konzerne ihre Leistungsfähigkeit demonstrieren wollten.

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Greg Gjerdingen from Willmar, USA, 1966 & 1969 Pontiac GTO (34841847634), CC BY 2.0

Mit der 1968 eingeführten Coke-Bottle-Silhoutte (rechts) wurde aus dem GTO (links das 1966er Convertible) endgültig ein waschechtes Muscle-Car.

Bis zum Sommer 1967 hatte GM 285.000 dieser sportlichen Pontiacs unter die Leute gebracht. Als Modellpflege vergrößerte man den Hubraum auf fast 6,6 Liter. Der V8 im GTO leistete nun bis zu 355 PS. Ein Jahr später entwickelte Pontiac-Chefdesigner Bill Porter eine völlig neue Karosserie mit Coke-Bottle-Silhouette. 1969 kam mit dem orange lackierten Sondermodell „The Judge“ ein wirklich extravagantes Auto. Es sollte die Muscle-Car-Konkurrenz getreu seines Namens „richten“. Diese war mittlerweile stark angewachsen: Dem GTO folgten nicht weniger ruhmreiche, heute sogar bekanntere Namen, wie das legendäre Pony-Car Ford Mustang (1964). Chrysler schickte den Dodge Charger (1966) und den Plymouth Road Runner (1968) ins Rennen. Konkurrenz aus dem eigenen Konzern erhielt der GTO durch den Chevrolet Chevelle Super Sport (1965) und die Pony-Cars Chevrolet Camaro (1966) und Pontiac Firebird (1967). Die Liste ließe sich endlos weiterführen.

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„The Judge“: Ein Richter auf vier Rädern.

Bis Anfang der 1970er-Jahre hielt der Muscle-Car-Boom an. Danach führten enorm gestiegene Versicherungsprämien für großmotorige Sportwagen und der wegen der Ölkrise explodierende Benzinpreis zu einem jähen Ende. Mit Verbräuchen von bis zu 30 Litern auf 100 Kilometern waren Muscle-Cars schlichtweg zu teuer. Verschärfte Abgasnormen und eine Katalysatorpflicht zwangen die Hersteller zudem zur Leistungsreduzierung und Verringerung der Kompression.

Stilikone und Filmstar

Der Ruf des Pontiac GTO beruht vor allem darauf, dass er die Sportwagenkategorie „Muscle-Car“ begründet hat. Aber auch Starts bei den beliebten Viertelmeilenrennen und zahlreiche Leinwandauftritte haben den Wagen bekannt gemacht: Bereits in der 1965-1966 gedrehten US-Serie „Bezaubernde Jeannie“ fährt Larry Hagman einen GTO. Seit den 2000er-Jahren wird der Klassiker zunehmend in Blockbustern, wie „Triple X“, „Knight and Day“ oder „Boyhood“, und US-Serien von „Falling Skies“ bis hin zu „MacGuyver“ gefahren.

Das Ende einer Legende

1974 stellte Pontiac die GTO-Produktion ein. Zwar hatte sich die dritte Fahrzeuggeneration bis 1970 noch einmal 200.000-mal verkauft, konnte dann aber der Ölkrise nicht mehr trotzen. 1973 hatte man nur noch gut 7.000 Einheiten absetzen können. Eine Konstanz, wie sie einem Ford Mustang oder einem Dodge Charger gelang, war dem GTO nicht vergönnt. Zwar versuchte GM Ende 2003 mit dem als neuer GTO vermarkteten Monaro der australischen Konzernschwester Holden einen erneuten Anlauf, schuf aber keine Reinkarnation des legendären Muscle-Cars. Das Urteil der Fachwelt: Zu glattflächiges Styling und eine schlechte Verarbeitungsqualität. Nach drei Produktionsjahren blieb das Auto mit 12.000 statt anvisierter 30.000 Einheiten deutlich hinter den Produktionszahlen seines legendären Vorfahren zurück.

Als Oldtimer sind Muscle-Cars sehr gefragt. Die Preise schwanken je nach Zustand zwischen wenigen 1.000 € bis 100.000 €. In den 1960ern und 1970ern war Rost ein verbreitetes Problem, auch bei Pontiac. Einen restaurierungsbedürftigen GTO bekommt man für deutlich unter 20.000,- €. Für gute Exemplare sind mindestens 35.000,- bis 40.000,- € fällig. Wer das Sondermodell „The Judge“ haben möchte, wird mit über 60.000,- € zur Kasse gebeten.

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Ein 1965er GTO Convertible und das neue GTO Coupé von 2003: Mit dem Lufteinlass auf der Motorhaube haben sie wenigstens eine Gemeinsamkeit …