06.05.2020

Hinter den Szenen bei Retromotion: Mein VW Polo II

Der VW Polo II wurde vom September 1981 bis zum Juli 1994 gebaut. Die zweite Generation des Polo war für seine Robustheit und seinen erschwinglichen Preis bekannt. Er wurde in verschiedenen Versionen gebaut und war bei Minimalisten und Fahranfängern sehr beliebt. Die Geschichte eines solchen VW Polo II Baujahr 1994 soll dieser Blog erzählen, meines Polo, um genau zu sein. Ich heiße Christoph und arbeite für Retromotion im Bereich Marketing. In diesem Blog soll es aber nicht nur um einen Youngtimer gehen, sondern vor allem um ein Auto, das mir und einigen anderen Menschen sehr ans Herz gewachsen ist. Ein Auto, das wenn es reden könnte, viel zu erzählen hätte und dessen Zukunft mehr als nur ein Mal ungewiss war.

Die Story dieses Autos beginnt schon viele Jahre, bevor ich es zusammen mit meinem Bruder gekauft hatte. Verfolgt man die Eintragungen im Inspektionsverzeichnis, dann fängt sie 1994 mit einer Frau in Hannover an, die den Wagen für 8 Jahre gefahren hat. Danach brechen die Aufzeichnungen leider ab, irgendwie hat es dieser VW Polo II aber von Hannover nach Baden-Württemberg in den Rhein-Neckar-Kreis geschafft. Genauer zu Constantin, einem Schulfreund meiner Schwester, der den Wagen über alles liebte und viele Jahre fuhr. Schon längst berufstätig ist er immer noch jeden Tag mit dem Wagen zu seinem Arbeitsplatz gefahren, einem großen Software-Unternehmen in der Region. Bei seinen Kollegen und im Freundeskreis war er für das Auto bekannt, denn viele haben ihn für das Fahren eines so alten Polos belächelt. Auf dem Parkplatz bei der Arbeit stellte er sich jeden Tag mit seinem Auto zwischen all die hochpreisigen Limousinen und teuren Geschäftsautos der Kollegen, und das mit Überzeugung.

Zu seinem Leidwesen aber passte der Polo vor 6 Jahren nicht mehr in seine Lebensumstände. Das zweite Kind war unterwegs und er brauchte einfach ein größeres Auto. Mein Bruder waren zur selben Zeit auf der Suche nach einem Auto – etwas älteres sollte es sein und am besten nicht zu teuer. Unsere Schwester stellte den Kontakt her, wir machten einen Termin aus und besichtigten schließlich den Wagen.

Der erste Eindruck kann täuschen

Und da stand er auf dem Parkplatz – Der Lack schon etwas verblasst, Laub auf dem Dach und der Motorhaube, die Reifen hatten auf dem Boden schon Moos angesetzt und die Fensterscheiben waren so verdreckt und staubig, dass man nur schwer hineinsehen konnte. Im ersten Moment waren wir etwas erschrocken und unsicher – „der soll noch laufen?“. Aber nach wenigen Worten mit Constantin, war klar: Das Auto ist ein einem sehr guten Zustand. Weder unter dem Auto, im Kofferraum, beim Ersatzrad oder den Türen war Rost. Er hatte lediglich runtergefahrene Reifen und einen Steinschlag auf der Fahrerseite der Windschutzscheibe. Der TÜV war zwar schon abgelaufen, es gab aber keine Anzeichen dafür, dass der Polo ihn nicht wieder bekommen würde. Schon nach wenigen Minuten war mir und meinem Bruder klar, dass wir den Wagen kaufen würden.

Der VW Polo II wurde von 1981 bis 1994 gebaut. Es gab ihn in verschiedenen Modellvarianten: als Coupé mit Steilheck, Schrägheck oder Stufenheck. Auch bei der Motorisierung gab es Unterschiede. So konnte zwischen einem Ottomotor mit 40 oder 115 PS und einem Dieselmotoren mit 45 oder 48 PS gewählt werden. Das Interieur war sehr sparsam gehalten und eher funktional. Zur Sonderausstattung gehörte damals eine Kassettenablage in der Mittelkonsole, eine größere Batterie, eine stärkere Lichtmaschine sowie auch ein Drehzahlmesser.

In seiner 13-jährigen Bauzeit erschienen über 10 Sondermodelle. So zum Beispiel das Modell “Betty Barclay”, mit einem Steilheck von der Modedesignerin Betty Barclay konzipiert sowie speziellem Leder-Interieur, Sportsitzen und einem 1-3l Motor mit 55 PS. Dieses Modell gab es nur in Baden-Württemberg zu kaufen.

Mein Polo ist ein Polo II Coupé der Version Fox, Baujahr 1994. Ausgestattet mit einem stärkeren 45-PS-Motor, einem Radio, einem Vier-Gang-Getriebe ohne Seitenblinker, die gehörten zur Sonderausstattung.

Constantin wollte ursprünglich 250€ für den Wagen haben, als er aber unsere Begeisterung spürte und auch sah sagte er: „Gebt mir nur 100€. Ich bin so froh, dass ihr den Polo II weiterfahrt. Tagtäglich habe ich Angebote von Leuten bekommen, die den Wagen exportieren oder ausschlachten wollten. Aber das konnte ich nicht über‘s Herz bringen. Mit dem Polo hab’ ich so viel erlebt, der ist unkaputtbar. Ich bin nach Luxemburg und in die Niederlande gefahren, habe so viele Kilometer gemacht und er hat mich nie im Stich gelassen! Danke, dass ihr ihn nehmt, Ich hoffe ihr habt genauso viel Freude an dem Auto wie ich sie hatte.“

Eine Reise in die 80er und 90er

Wir konnten es nicht glauben, ein Auto für 100€?! Aber so war es. Eine Woche später holte ich den Wagen mit einem roten Überführungskennzeichen bei Constantin ab, denn es musste ja die Windschutzscheibe ausgetauscht werden, die neuen Reifen aufgezogen und der TÜV gemacht werden. Schon als ich vom Parkplatz fuhr war ich von dem Wagen beeindruckt. Das alte und zugleich unglaublich übersichtliche und nützliche Design des Tachos und der Armaturen. Die Kilometeranzeige bestand aus einzelnen mechanischen Zähler-Elementen und stand auf 32.768 – eigentlich waren es 132.768, denn es gab nur 5 davon, bei 100.000 fing er wieder von vorne an zu zählen. Der Schaltknüppel war nicht aus Plastik, sondern noch aus Metall und lag gut in der Hand. Die Gänge ließen sich sehr flüssig einlegen, das Getriebe war also auch noch top! Die Außenspiegel mussten noch mit der Hand eingestellt und das Fenster natürlich noch runter gekurbelt werden. Außerdem gab es keinen Drehzahlmesser, man musste rein nach Gehör und Gefühl fahren und das tat ich auch, und zwar zur Werkstatt.

Einige Tage später war alles erledigt, der Polo II war angemeldet und den TÜV hatte er natürlich auch sofort bekommen. Alles in allem hat die Instandsetzung des Autos meinen Bruder und mich 600€ gekostet, wir hatten noch einen Ölwechsel machen lassen und vorsorglich den Zahnriemen wechseln lassen. Rechnet man noch den Kaufpreis von sagenhaften 100€ obendrauf, haben wir jeder 350€ nicht nur für einen super Wagen bezahlt, sondern auch für einen Youngtimer. Uns war zwar bewusst, dass der VW Polo II etwas über 20 Jahre alt war,aber dass er so selten war, hatten wir vorher nicht bemerkt. Denn er war für uns kein ungewohnter Anblick, da wir beide in den frühen 90ern geboren wurden. Fortan waren wir jedoch auf alte Polo II sensibilisiert und ich muss ehrlich sagen, wir haben kaum noch einen gesehen. Im Schnitt pro Monat höchstens einen. Und so wurde uns schnell klar, wir fuhren ein besonderes Auto.

Im nächsten Teil erfährst du, warum der Wagen zwei Jahre später fast doch auf dem Wertstoffhof gelandet wäre und wie es mit dem Wagen weiterging...