22.05.2020

Hinter den Szenen bei Retromotion: Mein VW Polo II Teil 2

Die Anschaffung und Reparatur des Polo II stellte trotz der geringen Kosten für meinen Bruder und mich eine gewisse Investition dar, die wir aber niemals bereuten. In den folgenden 2 Jahren ist uns der Wagen unglaublich ans Herz gewachsen. Leider kam es dann doch zu einem Moment, in dem wir uns zwischen einer aufwendigen Reparatur oder dem Verkauf des Wagens entscheiden mussten. Der zweite Teil dieser Story soll erzählen, wie und warum wir uns so sehr in den Wagen verliebten und was letztendlich dafür gesorgt hatte, dass er doch nicht auf dem Schrottplatz endete.

Innenraum und Ausstattung aus einer anderen Zeit

Zuerst muss erwähnt werden, dass das Fahrgefühl mit dem Polo II ein komplett anderes war; verglichen mit anderen jüngeren Autos. Die Karosserie war noch nicht so isoliert, eine Servolenkung und einen Airbag gab es nicht und auch die Sitze waren weicher und wesentlich bequemer. Bei niedrigen Geschwindigkeiten, zum Beispiel beim Aus- oder Einparken, konnte die Lenkung durchaus auch zum Kraftakt werden. Die Rückbank bestand nicht aus in der Polsterung angedeuteten Sitzen, sondern war wirklich eine Bank, wodurch sich ein ganz anderes Sitzgefühl einstellte – fast schon wie auf dem Sofa Zuhause (weshalb sie auch so beliebt bei unseren Freunden war). Das Interieur, angefangen beim Armaturenbrett, über die Bedienelemente im Innenraum bis hin zu Sitzbezügen, unterschied sich einfach grundlegend von neueren Autos. Es war einfach gemütlich im Polo. Sich mit diesem Wagen fortzubewegen war nicht einfach nur Autofahren, es war eine andere Art zu reisen. Das Fahren und die Bedienung waren intuitiv und auch die Nachtbeleuchtung im Cockpit war außergewöhnlich: Eine kleine Lampe beleuchtete die Geschwindigkeitsanzeige von oben, die einzelnen Zahlen leuchteten noch nicht. Der Wagen war einfach von innen wie auch von außen etwas besonderes.

VW Polo II Innenraum

Die Rückbank konnte umgeklappt werden - so gab es noch viel zusätzlichen Stauraum. Hier ist außerdem noch die alte Polsterung der Rückbank zu sehen.

Ein Nachteil, den wir anfangs unterschätzten, war die fehlende Klimaanlage. Was 2003 noch als Rekordsommer galt, war 2015 nichts außergewöhnliches mehr: Sommerhitze von über 30 °C. Bei solch hohen Temperaturen war es trotz geöffneter Fenster im Wagen kaum noch auszuhalten. Es gab zwar eine Lüftung, die konnte diese hohen Temperaturen allerdings nicht erträglicher machen. Außerdem kamen in den ersten Monaten hin und wieder noch Blätter aus den Lüftungsschlitzen geflogen, die sich wohl im Laufe der längeren Standzeit angesammelt hatten und eingesaugt worden waren.

Aber diese wenigen kleinen Widrigkeiten konnten uns nicht den Fahrspaß nehmen. Darüber hinaus war der Polo II sehr verlässlich. Mit 45 PS war er zudem auch ausreichend motorisiert, um ein angenehmes Fahren auf der Autobahn zu ermöglichen. Wir unternahmen viele längere Touren nach München oder durch Süddeutschland und auch der Verbrauch ließ sich mit 6-7 Litern sehen. Jede längere Tour, die wir machten, hatte richtigen „Roadtrip-Charakter“, weil es einfach Spaß machte mit dem Wagen über die Autobahn zu fahren und die Landschaft zu genießen. So wurde letztendlich auch bei jeder noch so kleinen Fahrt der Weg zum Ziel. Auch im Kofferraum war ausreichend Platz für Gepäck, Einkäufe und auch so manches IKEA-Paket.

Nach einer gründlichen Wäsche sah der Polo aus wie neu.

Ob ADAC oder Fahrlehrer – jeder war von dem Wagen begeistert.

Ganz gleich, wem wir mit dem Wagen begegneten, es kam uns immer Sympathie entgegen. So auch bei einem ADAC-Fahrtraining, das mein Bruder und ich von unserer Schwester geschenkt bekommen hatten. Der ältere Fahrlehrer, der den Kurs leitete, war sofort begeistert von unserem Polo II und konnte es sich nicht nehmen lassen, bei einer Rutschpartie auf der Beifahrerseite zu sitzen und den Wagen begeistert zu genießen. Neuere Autos, die auf dem Parcours über die Wasserfontäne schlitterten, sind zum Teil „abgesoffen“. Mit unserem Polo brauchten wir uns darüber keine Gedanken machen.

Ein anderes Mal hatte ich blöderweise vergessen, die Beleuchtung wieder auszuschalten. Als ich dann nach einigen Tagen wieder losfahren wollte, musste ich feststellen, dass die Batterie leer war. Leider war sie nicht mehr zu retten, aber als ADAC-Mitglieder war auch das kein Problem. Der herbeigerufene Pannenhelfer war auch nach wenigen Minuten hin und weg von dem Wagen. Während er uns die neue Batterie einbaute schwärmte er von dem Auto, setzte sich hinein, schaute ihn sich an allen erdenklichen Stellen an und stellte begeistert fest: „Toller Wagen! Sieht der von unten auch so aus? Der ist ja komplett rostfrei und auch der Motorraum befindet sich in tadellosem Zustand, wow! Der kann echt was wert sein, ein Sammler könnte dafür 2.000€ bezahlen“. In diesem Moment wurde uns beiden zum ersten Mal wirklich bewusst, dass der Wagen neben dem ideellen Wert auch einen einen gewissen materiellen Wert besitzen könnte.

Zwei Jahre lang fuhren wir den Wagen unbeschwert. Auch der Jugendfreund unserer Schwester, der uns den Wagen verkauft hatte, sah uns hin und wieder im Verkehr und schrieb mir auf Facebook eine Nachricht, wie großartig er es findet, dass wir den Wagen weiterhin fahren. Er schrieb sogar, dass er den Wagen sofort wieder zurückkaufen würde, sollten wir ihn jemals verkaufen wollen oder müssen.

Die Begeisterung für den Polo überträgt sich von einem Besitzer auf den nächsten.

Die erste und vielleicht auch letzte Panne

Es war klar, dass der Dämpfer und die erste Reparatur irgendwann kommen musste und so meldete sich der Verschleiß dann doch an einem warmen Sonntag im Sommer: Mitten im Stadtverkehr ging der Polo II plötzlich an der Ampel aus. Als ich versuchte, den Wagen neu zu starten, tat sich gar nichts. Ich rief also den ADAC an und sicherte den Wagen mit dem Warndreieck ab. Nach einer quälend langen Stunde und dem regelmäßigen Hupen anderer Verkehrsteilnehmer, die ihrem Unmut über die versperrte Spur freien Lauf lassen mussten, kam der Pannenhelfer an und stellte schnell fest: Der Keilriemen war gerissen, weshalb die Batterie während der Fahrt nicht mehr aufgeladen wurde und nun komplett entleert war. Bei neueren Fahrzeugen und anderen Modellen kann der Keilriemen von oben nicht erreicht werden, beim Polo II war das jedoch möglich und die Hoffnung war da, ihn noch vor Ort und Stelle wieder fahrbereit zu machen. Nach mehreren Versuchen herrschte aber traurige Gewissheit, dass der Polo auf die Hebebühne musste und so schleppte er mich zu einer Werkstatt ab. An diesem Tag ging ich relativ entspannt mit dem Gefühl nach Hause, dass diese Panne schnell, unkompliziert und vor allem kostengünstig repariert werden würde. Ein paar Tage später sollte es aber ganz anders kommen.

Die Werkstatt rief an und teilte uns mit, dass nicht nur der Keilriemen gerissen war, sondern auch einige andere Dinge repariert werden müssten, außerdem stand der TÜV wieder kurz bevor. Alles in allem ging es um neue Bremsen, Achsenmanschetten, eine neue Lichtmaschine, und noch ein paar andere Verschleißteile. Kosten von über 1.000€. Geld, das mein Bruder und ich nicht einfach so zur Verfügung hatten. Es meldeten sich außerdem Zweifel, ob nicht noch mehr in der nächsten Zeit kaputt gehen würde, da wir die 150.000 km bereits geknackt hatten. Unser Vertrauen in den Wagen wurde auf die Probe gestellt und wir wussten wirklich nicht, wie es weitergehen sollte. Wir entschieden, den Wagen vorerst auf dem überdachten Parkplatz unseres Vaters abzustellen und uns Bedenkzeit zu nehmen.

Auch nach 25 Jahren und 150.000 km Laufleistung waren Karosserie und Motor noch in einwandfreiem Zustand.

Wie sollte es weitergehen?

Aus ein paar Tagen Bedenkzeit wurden ein paar Wochen, schließlich ein paar Monate und so stand der Polo II knapp drei Jahre auf dem Parkplatz unseres Vaters. Trotz regelmäßiger Überlegungen konnten wir uns nicht entschließen: Mein Bruder zog mit seiner Freundin zusammen und hatte das nötige Geld nicht zur Verfügung und ich selbst konnte und wollte die Reparaturkosten ebenfalls nicht alleine stemmen – ihn zu verkaufen brachten wir aber auch nicht über’s Herz, weil wir ihn so sehr liebten. Außerdem wussten wir, dass die Substanz des Polo II noch immer rostfrei war und der Wagen einen Sammlerwert besaß, wenn auch einen kleinen.

Im Frühjahr 2019 hatte unser Vater schließlich genug von diesem abgemeldeten, wieder Moos ansetzenden VW Polo II und setzte uns die Pistole auf die Brust – der Wagen musste weg.

Wir versuchten den Wagen im Freundeskreis zu verkaufen, aber niemand hatte das nötige Geld und den Mut, den Wagen reparieren zu lassen. Wir hatten schon gedanklich mit dem Wagen abgeschlossen und suchten nur noch nach einem passenden Verwertungsbetrieb, damit der Parkplatz endlich wieder frei werden würde, als unsere andere Schwester und ihr Freund aus München zu Besuch kamen und den Polo zufällig begutachteten. Mein Bruder und ich schafften es, die Leidenschaft für den Polo II, die wir vom Vorbesitzer mitgegeben bekommen hatten, auch auf unsere Schwester und ihren Freund zu übertragen. Nach einer halben Stunde waren auch die beiden begeistert von dem Wagen. Dass der Wagen mittlerweile selten geworden war und sich nach wie vor in einem Top-Zustand befand befeuerte die beiden nur noch mehr – das Interesse der beiden war geweckt und das „Projekt VW Polo II“ wurde geboren.

Im nächsten Teil erfährst du, wie wir die Reparatur durchgeführt, welche Teile wir erneuert und was wir alles im Wagen entdeckt haben.