16.10.2019

Mercedes 250 S – Die Anfänge der S-Klasse

Einer der beliebtesten deutschen Oldtimer ist sicher der Mercedes 250 S. Als er in den 1960er-Jahren auf den Markt kam, gehörte er offiziell „nur“ zur oberen Mittelklasse. Doch tatsächlich begründete er mit seinen später S-Klasse genannten Nachfolgemodellen die Oberklasse bei Mercedes-Benz, die heute mit aufwendig ausgestatteten Limousinen und Coupés ein Inbegriff deutscher Wertarbeit und automobilen Luxus‘ ist.

Altbewährte Technik in neuem Gewand

Es war die Zeit des Wirtschaftswunders. Die Ölkrise war noch nicht in Sicht und so wuchs der Markt für Automobile vom VW Käfer für den kleinen Mann bis hin zum Mercedes-Benz für die betuchte Kundschaft. Zu dieser Zeit brachte man beim schwäbischen Autobauer Daimler-Benz AG mit dem ab August 1965 angebotenen Modell 250 S, der Baureihe W 108, einen Nachfolger für die als Mercedes-Benz 220 seit 1959 erhältliche Baureihe W 111 an den Start. Mit dem 220er hatte man bis dahin die obere Mittelklasse besetzt und so sollte es auch mit seinem Nachfolger sein. Dieser sah zwar vergleichsweise modern aus, unterschied sich aber technisch nicht wesentlich von seinem Vorgänger.

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Spanish Coches, 1973 Mercedes-Benz 250 SE (W108) (6473851449), CC BY 2.0

Zeitlos-klassisch: Die Silhouette der Baureihe W 108 stammt aus der Feder von Paul Bracq.

Die Karosserie war vom französischen Designer Paul Bracq entworfen worden, der 1957 von Citroën zu Daimler-Benz gekommen war. Die Linienführung war deutlich am W 111-Coupé orientiert, bei dem die Heckflossen der Limousinen nur noch in Ansätzen zu erkennen waren. Mit dieser neuen Silhouette verabschiedete sich Daimler-Benz von der Heckflossen-Ära der 1960er-Jahre. Aus technischer Sicht entspricht die Baureihe W 108 weitgehend ihrem Vorgänger. Aus Kostengründen hatte man die Rahmen-Bodengruppe weitgehend unverändert vom W 111 übernommen und lediglich einige Verbesserungen zur Erhöhung der Fahrsicherheit vorgenommen. Neben Scheibenbremsen an beiden Achsen bekam die hier zum letzten Mal in einem Mercedes-Benz verbaute Eingelenk-Pendelachse eine hydropneumatische Ausgleichsfeder verpasst, um die vom Vorgängermodell bekannten Probleme dieser Achskonstruktion zu beheben. Auch die Motorisierung übernahm man und modifizierte sie lediglich. Das 2,2-Liter-Reihensechszylinder-Aggregat M 180 wurde auf 2,5 Liter aufgebohrt und lief fortan unter der Bezeichnung M 108.

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Mit der Baureihe W 108 haben die Heckflossen bei Mercedes-Benz endgültig ausgedient.

Der vergrößerte Hubraum führt in Kombination mit zwei Zenith-Registervergasern zu einer Leistung von 130 PS (250 S), die Variante mit Einspritzung (250 SE) kommt auf 150 PS. Zeitgleich mit der 250 SE-Variante, die einen Monat nach dem Basismodell mit Vergaser erhältlich war, kam mit dem 300 SEb eine 170 PS-starke Version mit 3 Litern Hubraum als Nachfolger des alten 300 SE (Baureihe W 112).

Doch zurück zum 250 S. Die Basisversion wiegt 1.440 kg und kommt mit dem 2,5-Liter-Aggregat auf eine Spitzengeschwindigkeit von 180 Stundenkilometern bei einer Beschleunigung von 0 auf 100 in 12,8 Sekunden. Der Benzinverbrauch liegt mit 12-14 Litern pro 100 Kilometer etwas über der Werksangabe von 11,7 Litern, ist aber für eine große Limousine der 1960er-Jahre noch im vertretbaren Bereich. Neben dem serienmäßigen Viergang-Schaltgetriebe gab es optional auch eine Viergang-Automatik, die über einen Lenkradschalthebel bedient wird. Damit war es möglich, ein kleines Kissen in die zwischen den Sitzen befindliche Ablageschale zu legen, die an der Unterseite gepolsterte Mittelarmlehne hochzuklappen und so einen Platz für einen zweiten Beifahrer zu schaffen, der sich allerdings nicht anschnallen kann.

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David Adam Kess, Mercedes-Benz 250 S (photographed in black and white) interior - four door - mint condition, CC BY-SA 4.0

Vorne ist auch Platz für drei, wenn man die Armlehne hochklappt.

Zur Markteinführung waren für einen Mercedes 250 S 15.300,- DM fällig, die Einspritzer-Version 250 SE war etwa 1.500,- DM teurer. Bei der Kundschaft kam das Auto gut an, es liefen pro Monat 2.660 Einheiten vom Band. Bereits ein Jahr später musste Daimler-Benz Interessenten mit einer Lieferfrist von 15 Monaten vertrösten.

Modellpflege und Weiterentwicklung

Die 300SEb-Variante stellte man bereits Ende 1967 wieder ein. Auch der 250 SE entfiel Anfang 1968 zugunsten des Mercedes-Benz 280, der mit überarbeiteten 2,8-Liter-Motoren mit 140 PS (280 S) und 160 PS (280 SE) bereits das Ende der 2,5-Liter-Motorisierung ankündigte und im Gegensatz zum 250 SE auch als Langversion 280 SEL verfügbar war. Weiterhin stellte man für den 280 SE von einer mechanischen auf eine elektronische Einspritzung um. Zusätzlich zu den technischen Änderungen kamen mit dem Modelljahr 1968 auch einige optische Anpassungen im Innenraum. Neben einer neu gestalteten Lenksäule wanderte bei den Automatikmodellen die Parkstellung von hinten nach vorn. Im Wesentlichen änderten sich also die Motorisierung und einige Ausstattungsdetails. Die Basisversion 250 S mit dem ursprünglichen W 108-Vergasermotor blieb aber noch bis März 1969 im Programm.

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Riley from Christchurch, New Zealand, 1966 Mercedes-Benz 250 SE (27642106702), CC BY 2.0

Ursprünglich für den amerikanischen Markt entwickelt, ab 1969 aber auch in Deutschland erhältlich: Die Doppelscheinwerfer.

Anfang der 1970er-Jahre wurde auf Basis der 280er-Modelle die Motorisierung auf einen V8-Motor mit 3,5 Litern Hubraum und 200 PS umgestellt, bis im November 1972 mit der Baureihe W 116 der Name S-Klasse auch offiziell als Verkaufsbezeichnung eingeführt wurde. Die Entwicklung ging über die Baureihen W 126 (1979-1991), W 140 (1991-1998), W 220 (1998-2005), W 221 (2005-2013) bis zur aktuellen Baureihe W 222. Die derzeitige „Basisversion“ S 400 leistet mit 306 PS mehr als das Doppelte als sein Urahn 250 S.

Eine „Basis-Luxuslimousine“

Die Bezeichnung „Basismodell“ in der automobilen Oberklasse klingt beim ersten Hinhören etwas seltsam. Ein Mercedes 250 S war seinerzeit nicht für den Ottonormalverbraucher sondern für die Aufsteiger der Wirtschaftswunder-Generation gedacht. Obendrein war es natürlich auch nicht mit dem für damalige Verhältnisse schon recht satten Einstiegspreis von 15.300,- DM getan, denn ohne Extras kam das Auto sehr spartanisch daher. Schon ein zweiter Außenspiegel musste mit 15,- DM bezahlt werden, von anderen Teilen ganz zu schweigen. Kopfstützen schlugen pro Stück mit 85,- DM zu Buche, Sicherheitsgurte mit 110,- DM. Der Sonderausstattungskatalog ist lang und endet mit exklusiven Details wie einer Klimaanlage für 1.950,- DM oder einem Autotelefon für das damals verfügbare A-Netz für 7.400,- DM. Dafür konnte man auch locker drei VW-Käfer kaufen.

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David Adam Kess, Mercedes-Benz 250 S (pic a1a) logo, CC BY-SA 4.0

Im Gegensatz zu den vielen kostenpflichtigen Extras war der Modellschriftzug inklusive.

Understatement oder automobile Langeweile?

Ein gewisses Maß an zur Schau getragener Bescheidenheit gehört in der Oberklasse natürlich zum Geschäft. Der „Basis-Benz“ hat immerhin schon die ungefähren Maße einer aktuellen E-Klasse und war seinerzeit auf jeden Fall ein richtig großes Auto. Ob sein Aussehen jenseits der Statuspunkte, die ein Mercedes nun einmal mit sich bringt, eher langweilig ist, liegt nicht zuletzt im Auge des Betrachters. Man kann die klare, langgestreckte Silhouette durchaus auch als zeitlos elegant empfinden. Immerhin hat der Wagen eine große Fangemeinde, die das so sieht: Er ist einer der beliebtesten deutschen Oldtimer.

Fuhr sich damals wie heute gut: Der W 108 im Test von 1968.

Bis 1969 liefen 74.677 Einheiten des S-Klasse-Urvaters in der Basisversion 250 S vom Band. Als Klassiker mit stetigem Wertzuwachs ist er heute eine gute Geldanlage. Für sehr gute Exemplare werden mittlerweile bis zu 40.000,- € verlangt. Damit erwirbt man vielleicht keinen extravaganten Blickfang im Stil eines Lancia Flaminia oder Jaguar S-Type, aber der W 108 ist ihnen wegen seiner herausragenden Verarbeitungsqualität überlegen. In puncto Alltagstauglichkeit, Fahrleistungen und Reisekomfort kann man ihn auch heute noch bedenkenlos fahren … und langweilig ist er dadurch sicher nicht.