24.10.2018

Wenn Nachproduktion die letzte Rettung ist: Eine RETROMOTION-Story

Nicht immer ist die Ersatzteilsuche erfolgreich. Vor allem dann nicht, wenn es sich um sehr spezielle Teile von in nur geringer Stückzahl produzierten Fahrzeugen handelt. So zum Beispiel konnte der Oldtimer-Sammler Jo Weber nirgends einen Ersatz für den beschädigten Innentürgriff seines Ferrari Mondial QV Cabriolets finden – bis er sich an uns wandte. Erfahre mehr im Folgenden!

„Alessandro“ braucht einen neuen Türgriff

In der Nähe von München verbirgt sich ein wahrer Schatz in dem zu einer Garage umgebauten Kuhstall: Über 50 astrein erhaltene Oldtimer lassen sich dort bestaunen. Sie gehören dem Oldie-Enthusiasten Jo Weber, der sie mit Hingabe pflegt und auch an Interessenten weitervermietet. In ganz Oberbayern kommen unter anderem Käfer, Speedster oder Mustangs aus der Sammlung von Jo Weber auf Hochzeiten, Geburtstagen oder mehrtägigen Oldtimer-Reisen zum Einsatz.

Ferrari Mondial QV Cabriolet

Wo Fahrzeuge benutzt werden, gibt es jedoch, vor allem bei klassischen Fahrzeugen, Verschleißerscheinungen. Die meisten Reparaturen sind kein Problem. Als allerdings der Innentürgriff seines Ferrari Mondial QV Cabriolets „Alessandro“ von einem Kunden abgebrochen wurde, musste Jo Weber schlucken. Denn er wusste bereits im Voraus, dass ein Türgriff für ein Fahrzeug, von dem 629 Exemplare produziert worden sind, schwer zu beschaffen sein würde.

Von vielen Händlern, die er auf der Suche nach seinem Ersatzteil kontaktierte, wurde Jo Weber allenfalls mitleidig belächelt. Kein Wunder: Von einem Substitut für den defekten Türgriff war selbst nach wochenlanger Suche nicht die geringste Spur. Als Jo sich durch einen Zufall an uns wandte, ließ es unser Team auf einen zweiten Versuch ankommen: Doch keiner unserer über 1.200 Kontakte hatte das Teil vorrätig. Daher blieb nur eine Option: Die Nachproduktion des Türgriffs mit dem 3D-Drucker.

Detailgetreue Nachfertigung im 3D-Drucker

Bei jeder Nachproduktionsanfrage überprüfen wir zunächst, welche Möglichkeiten überhaupt bestehen. Neben klassischen Fertigungstechniken ist auch immer der 3D-Druck eine attraktive Lösung. So auch in diesem Fall, denn beim gesuchten Türgriff handelte es sich um ein sehr spezielles Teil, von dem wir außerdem das defekte Exemplar als Referenz erhielten. Für die detailgetreue Nachbildung eines Ersatzteils, von dem nicht immer originale Konstruktionszeichnungen vorliegen, ist eine solche Referenz extrem hilfreich. Denn auf diese Weise ließ sich der defekte Türgriff mit dem 3D-Scanner erfassen und per Software „reparieren“: Die beiden Hälften wurden an der Bruchstelle digital zusammengefügt und das Modell geglättet. Unten siehst du einen Ausschnitt des druckfertigen 3D-Modells – die blauen Stellen sind sogenannte Stützstrukturen, die lediglich benötigt werden, um das Produkt während des Drucks stabil zu halten.

3D-Modell des Türgriffs für den Ferrari Mondial QV

Hätten wir nicht das defekte Teil zum Einscannen erhalten, wäre auch eine manuelle Nachkonstruktion des Türgriffs mithilfe der Bauraumdaten möglich gewesen, das ist allerdings sehr kosten- und zeitaufwändig.

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Was ist ein 3D-Scanner?  

Mit einem 3D-Scanner lässt sich die Geometrie jeden beliebigen Objekts erfassen. Dabei tastet ein Laser das gewünschte Objekt ab und gibt ein dreidimensionales Bild des Körpers zurück. Gerade bei der Nachproduktion seltener Ersatzteile sind 3D-Scanner eine große Hilfe.

Sowohl die digitale Erfassung des Türgriffs als auch seine Nachproduktion wurden durch uns umgesetzt. Als Material wurde Edelstahl 316L verwendet, der sich vor allem durch hohe Korrosionsbeständigkeit und gute mechanische Eigenschaften auszeichnet. Anhand der Werkstoffkenndaten konnten wir das Versprechen geben, dass der neue Türgriff mindestens die gleiche Stabilität wie sein Vorgänger haben würde. Hergestellt wurde das Ersatzteil mit dem SLM-Verfahren (Selective Laser Melting, englisch für Selektives Laserschmelzen), einem sehr beliebten Verfahren für Guss- und Blechkomponenten. 

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Wie funktioniert das SLM-Verfahren?  

Der Werkstoff wird, ähnlich wie beim Sintern, als eine dünne Pulverschicht auf der Grundplatte aufgetragen. Ein computergesteuerter Laserstrahl schmilzt das Pulver um, sodass bei Abkühlung festes Material entsteht. Die Grundplatte wird daraufhin abgesenkt, erneut Pulver aufgebracht und eine weitere Schicht des Werkstoffs mit dem Laser umgeschmolzen. So entsteht das zu fertigende Teil Schicht für Schicht, bevor es nach dem Druckvorgang von überschüssigem Pulver befreit und gegebenenfalls aufgearbeitet wird.

Es war ein großartiger Moment für uns, als aus dem Computermodell plötzlich etwas wurde, das sich anfassen und nach dem Abschleifen und Aufarbeiten in den Oldtimer unseres Kunden einbauen ließ. Der frisch gedruckte Türgriff passte perfekt und ließ sich problemlos betätigen. Auf dem folgenden Bild ist von links nach rechts der defekte Türgriff, der Rohling aus dem 3D-Drucker und das aufgearbeitete Endprodukt zu erkennen.

 von links nach rechts der defekte Türgriff, der Rohling aus dem 3D-Drucker und das aufgearbeitete Endprodukt

Unsere Nachproduktion war die letzte Chance für Jo Weber, seinen defekten Türgriff zu ersetzen und wir freuen uns sehr, dass wir ihm dabei behilflich sein konnten. Denn das ist letztlich unsere Vision: Jedes Ersatzteil beschaffbar machen.

Wenn du mehr über die Geschichte von Jo Webers Türgriff erfahren willst, schau Sie im Folgenden unsere Video-Dokumentation.