27.07.2021

Der Mercedes-Benz W140 – “The World Car 1992” ist nun auch ein Oldtimer!

Bis heute vereint die Mercedes-Benz S-Klasse Luxus, Sportlichkeit und Leistung in einem. Den Grundstein dafür legte ab 1991 der W140, mit dem auch Bundeskanzler Helmut Kohl während seiner Amtszeit in Bonn durch die Republik kutschiert wurde. Die S-Klasse W140 maß über 5 Meter Länge und steckte voll begeisternder Technik, um den Komfort so hoch wie möglich zu gestalten. Von dieser Ikone der 1990er-Jahre, die auch als das beste Auto der Welt bezeichnet wurde, sind bereits in den ersten 9 Monaten 48.000 Stück ausgeliefert worden. Die Markteinführung von Kohls Staatskarosse liegt dieses Jahr nun 30 Jahre zurück und der W140 reiht sich ein in die Riege der Oldtimer, aber ist es der Zwölfzylinder-Motor die wuchtige Größe oder das edle und luxuriöse Design der S-Klasse aus den 90ern, was bis heute für Faszination sorgt? Wir haben uns anlässlich des neuen Jubilars im #clubderoldies für die auf Spurensuche begeben.

Mit der Entwicklung des W140 wurde bereits zehn Jahre vor Markteinführung im Jahr 1981 begonnen und der Produktionsstart ursprünglich für Oktober 1989 geplant. Für interne Probleme sorgte der Umstand, dass Lexus seine neue Oberklasse-Limousine 1989 vorgestellt hatte, den LS 400. Durch diesen Vorstoß der Konkurrenz sah sich Mercedes-Benz gezwungen, noch einmal kurz vor dem Serienstart Verbesserungen hinsichtlich Qualität und Ausstattung vorzunehmen, um die Marktposition des W140 zu stärken. Dadurch überstiegen die Mehrkosten das Entwicklungsbudget, das anfänglich auf ungefähr 3 Milliarden D-Mark angesetzt worden war. In Folge dessen musste der Daimler-Benz-Chefentwickler Wolfgang Peter seinen Posten räumen und wurde entlassen. Nach diesen firmenpolitischen Startschwierigkeiten wurde die Mercedes-Benz S-Klasse W140 der Weltöffentlichkeit schließlich im März 1991 auf dem Genfer Autosalon vorgestellt. Insgesamt liefen bis zum Produktionsende im Werk Sindelfingen 406.717 Limousinen vom Band, inklusive der Staatskarossen, 28.101 davon waren Dieselfahrzeuge. Ab März 1993 wurden die Typenbezeichnung “S” allen Modellnummern vorangestellt.

Innovation auf allen Ebenen

Der Mercedes-Benz W140 steckte bis unters Dach voller neuer Errungenschaften. So wurde mithilfe der Vernetzung mit CAN-Bus das Kabel-Aufkommen deutlich reduziert und die Steuergeräte miteinander verbunden. Hinzu kamen doppelt verglaste Scheiben, die eine bessere Wärme- und Schallisolierung der Fahrzeugkabine versprachen. Die Außenabmessungen des W140 fielen deutlich größer aus als beim Vorgänger. Doch nicht nur die Größe des Wagens an sich war ein Novum, auch beim Motor gab es Veränderungen: Mercedes-Benz bot zum ersten Mal auch einen Zwölfzylinder-Motor an und zog dadurch mit BMW gleich, die Konkurrenz aus München hatte 1987 den 7er E32 mit einem Zwölfzylinder auf den Markt gebracht.

Die Stuttgarter Konstrukteure legten auch beim Thema Nachhaltigkeit großen Wert auf Neuerungen. Sämtliche Kunststoffteilchen wurden nach Sorte gekennzeichnet, so dass die Möglichkeit, den Wagen zu recyceln, vereinfacht wurde. Dafür staubte der schwäbische Autobauer 1992 den US-amerikanischen „Stratospheric Ozone Protection Award“ ab. Weitere Neuerungen im W140 waren die automatische Sprachsteuerung Linguatronic (1996), die Einparkhilfe Parktronic auf Ultraschallbasis (1995), das heute in allen Fahrzeugen zur Pflichtausstattung erklärte Elektronische Stabilitätsprogramm ESP (1995), das Adaptive Dämpfungssystem ADS (1995), ein elektrisch ausfahrbarer Griff am Kofferraumdeckel sowie knapp 60 Elektromotoren für verschiedenste Komfortfunktionen.

Nicht nur eine große Motoren-Vielfalt bot der W140, es gab ihn auch als Coupé zu kaufen. Trotz weniger Türen maß der C140 immer noch über 5 Meter!
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Cete, German Wikipedia., Mercedes-Benz Coupé-Baureihe 140, CC BY-SA 3.0

Nicht nur eine große Motoren-Vielfalt bot der W140, es gab ihn auch als Coupé zu kaufen. Trotz weniger Türen maß der C140 immer noch über 5 Meter!

Modellpflege beim W140

Bei der ersten Modellpflege 1994 wurden die unteren Teile der Stoßfänger und Flankenschutz-Flächen verbreitert. Das Kühlerschutzgitter und die Scheinwerfer wurden etwas verbreitert. Die Sechs- und Achtzylinder-Modelle erhielten ebenfalls neue Kühlergitter. Auch beim Heck veränderten die Designer die Silhouette geringfügig, sie erschien nach dem Facelift etwas breiter und niedriger.

Bei der zweiten Modellpflege 1996 wurden einige Anbauteile an der Karosserie des W140 nun auch in Wagenfarbe, anstatt in Kontrastfarbe angeboten. Airbags wurden nun serienmäßig für Fahrer und Beifahrer verbaut, Sitzbelegungssensoren steuerten nun die Auslösung des Beifahrerairbags, ein Regensensor für eine automatische Wischintervall-Regelung wurde serienmäßig verbaut, Gepäcknetze im Kofferraum und Beifahrerfußraum wurden angebracht und Xenon-Scheinwerfer mit Scheinwerfer-Reinigungsanlage waren nun als Sonderwunsch bestellbar.

Motorisierung

Der Mercedes-Benz W140 kam als Sechszylinder in den Modellen 300 SE 2.8 und S 280 mit 193 PS und 215 km/h Höchstgeschwindigkeit, sowie den Modellen 300 SE und S 320 mit 231 PS auf den Markt. Die Achtzylinder gab es als 400 SE mit 286 PS, S 420 mit 279 PS, 500 SE mit 326 PS und der S 500 mit 320 PS. Die Stars der Serie waren die Zwölfzylinder-Versionen 600 SE mit sagenhaften 408 PS und der S 600 mit 394 PS. Das Diesel-Angebot viel bei weitem nicht so üppig aus, der 300 SD Turbo und der S 350 Turbodiesel liefen mit 150 PS Leistung vom Band, der S 300 Turbodiesel mit 177 PS.

Info zum W140

Die W140 S-Klasse war auch als AMG-Version auf Basis des 500er mit V-8-Motor verfügbar. Der 6-Liter V-8 AMG verfügte über 380 PS, die AMGs auf Basis des S600 mit V-12-Motor hatten unglaubliche 496 und 524 PS unter der Haube. Einige Coupes wurden zu Cabrios und Kombis umgebaut. Sie gingen hauptsächlich in den Export nach Japan, die USA und den arabischen Raum.

Kaufpreis und Wert des W140

Der Grundpreis für den W140 S 280 betrug bei Markteinführung 88.467 DM, bei Einstellung der Serie lag der Preis für das Grundmodell bei 92.104 DM. Der Aufpreis für einen Zwölfzylindermotor betrug 65.000 DM im Vergleich zum Achtzylinder-Motor, was über Ein Drittel des Kaufpreises ausmachte. Doch wie sieht es mit dem Wert für einen W140 heute aus? Ein Blick in die Gebrauchtwagenportale zeigt deutlich, ab 3.000€ sind schon S-Klassen zu kaufen, allerdings verspricht der Preis hier unbedingt nichts Gutes, Vorsicht ist geboten. Ungefähr 75% aller W140 haben einen Durchschnittswert von 8.900 € (Stand 2017), wobei gerade bei den jüngeren Modellen mit wenig Laufleistung eine Wertsteigerung beobachtet werden kann. Für knapp 10.000 bis 12.000 € sollte ein anständiger W140 aufzutreiben sein, wobei exzellente Modelle auch für 50.000€ angeboten werden.

Das Interieur des W140: Komfort, Platz und Luxus. So reisen Helmut Kohl und seine ausländischen Amtskollegen.
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Paweł Janiszewski,Mercedes CL500 Wytrębowice3

Das Interieur des W140: Komfort, Platz und Luxus. So reisen Helmut Kohl und seine ausländischen Amtskollegen.

Mobilitätszukunft

Mercedes-Benz fing schon vor über 20 Jahren an, autonomes Fahren zu erforschen. Als Versuchsfahrzeug hierfür wurde ein 500 SEL der Baureihe W140 ausgewählt, der so verändert wurde, dass der Steuercomputer Lenkung, Drosselkappe und Bremsen bedienen konnte. Mercedes-Benz forschte an diesem Projekt gemeinsam mit dem Institut für Systemdynamik und Flugmechanik der Universität der Bundeswehr in München. Das Versuchsprojekt „VaMP“ Versuchsfahrzeug für autonome Mobilität PKW hatte tatsächlich Erfolg! Im Oktober 1994 legte der Versuchs-W140 im normalen Verkehr auf einer dreispurigen Autobahn bei Geschwindigkeiten von bis zu 130 km/h erfolgreich mehr als 1.000 km mit Spurwechseln und autonomen Überholvorgängen zurück. Mercedes-Benz war Teil des europäischen Verbundprojekts PROMETHEUS, bei dem wissenschaftliche Forschungsinstitute, Autobauer und Zulieferer zusammenkamen, um den Straßenverkehr effizienter und sicherer zu gestalten. Viele der in dieser Kooperation entwickelten Neuerungen und Technologien sind in unseren Fahrzeugen und um Straßenverkehr unerlässlich geworden.

Mercedes-Stern auf dem W140

Nicht nur beim beim Verbundprojekt PROMETHEUS war Mercedes-Benz federführend, auch im Luxus-Segment schafften es die Stuttgarter, mit dem W140 Rolls Royce und Bentley in Konkurrenz zu machen, was an der Menge von W140-Staatskarossen unschwer zu erkennen ist.

Öffentliche Wahrnehmung der W140 S-Klasse

Die mediale Rezeption des W140 war überwiegend positiv. Fachmagazine überschlugen sich voll des Lobes auf den neuen Meilenstein der Automobiltechnologie. Die Schweizerische Automobil Revue beschrieb ihn als „solide wie einen Panzerschrank“, der trotz seiner Komplexität frei von Nebengeräuschen sei und auch Windgeräusche ließen sich auch im Hochgeschwindigkeits-Bereich keine wahrnehmen. Das deutsche Fachmagazin mot schwärmte: „Mit der neuen S-Klasse demonstriert Mercedes-Benz erneut den Anspruch, das Auto erfunden zu haben und das beste Auto der Welt zu bauen. Angesichts eines 400 SEL kommt man nicht umhin zu sagen: der Anspruch ist wohl berechtigt“. Es gab aber auch andere Stimmen, so wie die taz, die von einer „Ausgeburt von Ingenieurswahn und Klimakiller-Instinkt“ sprachen. Das Magazin auto motor sport bezeichnete das Coupé der W140 S-Klasse als „elefantös“. Die Kritik richtete sich oft gegen das hohe Gewicht von 2,2 Tonnen, die Länge von 5,11 bis 5,21 Meter und den hohen Kaufpreis von bis zu 200.000 DM. Für Hohn und Spott sorgte der Umstand, dass die Fahrzeuge des W140 anfänglich nicht auf die Autozüge des Sylt-Shuttles von Niebüll nach Westerland passten und daher auf LKW-Waggons transportiert werden mussten. Rückblickend wurde der W140 auch vom Aufsichtsratsvorsitzenden Hilmar Kopper als Ausdruck eines überbesetzten und unproduktiven Unternehmens betrachtet, das anfing, rote Zahlen zu schreiben.

Nichtsdestotrotz verband die S-Klasse W140 wie kein Mercedes-Benz zuvor Luxus und Technologie. Ab 1995 setzte er als S 600 Pullman mit einer Länge von 6,213 m die Tradition der Mercedes-Benz-Staatskarossen fort, war fester Bestandteil des Fuhrparks der Bonner Republik und auch Papst Johannes Paul II. vertraute auf sein Papamobil, einen S 500 Landaulet. Der W140 mag zwar etwas groß geraten sein und Ausdruck einer Utopie von Luxus, Masse und Leistung sein, durch seine technischen und sicherheitstechnischen Errungenschaften brachte er die Automobilentwicklung dennoch bedeutend voran. Er Symbol des Aufschwungs der 1990er-Jahre, in denen alles möglich schien, nachdem der Kalte Krieg ad acta gelegt worden war und sich Ost und West wiedervereinigten. 

Der S 500 Landaulet von Papst Johannes Paul II., eine Sonderanfertigung eigens für den Heiligen Stuhl.
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Cete at German Wikipedia., Mercedes-Benz S 500 lang Landaulet, CC BY-SA 3.0

Der S 500 Landaulet von Papst Johannes Paul II., eine Sonderanfertigung eigens für den Heiligen Stuhl.

Der große damalige Kritikpunkt, nämlich die Größe und der Umfang des W140 ist gemessen an heutigen Maßstäben gar nicht mehr überdimensioniert, denn die aktuelle S-Klasse übertrifft ihn in Länge und Größe, so dass man sich heute hauptsächlich der technischen Errungenschaften des W140 erinnert. Bis heute fasziniert die der luxuriöse staatsmännische Straßenkreuzer der 90er durch sein kantiges aber zugleich stimmiges und moderates Design,nicht nur ein wahrer Hingucker eben, sondern auch ein Stück Automobil- und Zeitgeschichte – Willkommen im #clubderoldies, Mercedes-Benz W140.