02.01.2023

Lamborghini Miura – der erste Supersportwagen

Als Lamborghini Mitte der 1960er-Jahre den Miura P 400 vorstellte, ging ein Aufruhr durch die Fachpresse. Die Italiener hatten nicht weniger erschaffen, als eine neue Sportwagen-Kategorie. Der Supersportwagen Lamborghini Miura war nicht nur der schnellste Straßensportwagen seiner Zeit, er sollte auch über Jahrzehnte das Design im Sportwagenbau beeinflussen.

Sensation mit quer liegendem Mittelmotor

Auf dem Turiner Autosalon präsentierte Lamborghini 1965 das Chassis eines neuen Sportwagens und damit eine Sensation. Einen Straßensportwagen mit quer eingebautem V12-Mittelmotor hatte bis dato noch niemand entworfen. Ein Jahr später zeigte man auf dem Genfer Autosalon das fast fertige Fahrzeug mit der Modellbezeichnung „Miura P 400“. Kurios: Es war von einem jungen Ingenieursteam nach Feierabend konstruiert worden. Angeblich hatten sie ihren Chef mit dem Prototyp vor vollendete Tatsachen gestellt.

Lamborghini Miura P400
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Einer der schönsten Sportwagen der Welt.

Bereits 1963 hatte Lamborghini neben der Traktoren- auch eine Automobilsparte gegründet und mit dem 350 GTV einen Sportwagen vorgestellt. Angeblich soll Ferruccio Lamborghini mit der Qualität seines Ferraris unzufrieden gewesen sein. Andere Quellen berichten, dass Ferrari nicht bereit war, einen Sportwagen nach Lamborghinis Vorstellungen zu bauen. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussagen ist nicht mehr überprüfbar. Sicher ist aber, dass aus dem Prototyp 1964 der erste seriengefertigte Sportwagen bei Lamborghini entwickelt wurde: der 350 GT. Mit einer Leistung von 280 PS konnte er die Ferraris seiner Zeit locker abhängen. Berühmt wurde Lamborghini aber erst durch das Nachfolgemodell Miura.

Pure Leistung und atemberaubendes Design

Von den Ingenieuren ursprünglich als Rennauto konzipiert, machte Lamborghini einen Straßensportwagen daraus, der nicht nur die Marke selbst, sondern vor allem auch Marcello Gandini, damals Chefdesigner bei Bertone, berühmt machte. Seine spektakuläre Silhouette des Miura und die Lamellenstoren im Heckfenster prägten viele spätere Sportwagendesigns.

Heck des Lamborghini Miura
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Die grandiose Silhouette und die Lamellen vor dem Heckfenster sind das optische Markenzeichen des Miura.

Das 1.125 kg leichte Auto war mit seinen 3,9 Litern Hubraum und 350 PS für die Verhältnisse der 1960er-Jahre brutal motorisiert. Das Leistungsgewicht lag im Bereich reinrassiger Rennautos. 1967 erreichte der Wagen aus dem Stand die 100 km/h in 6,5 Sekunden. Die Instrumente im Cockpit hatten zuvor bei einer Ausfahrt mit Journalisten sogar einen Wert von 5,1 Sekunden ausgegeben. Keine schlechten Daten für einen Straßensportwagen, schon gar nicht in den 1960er-Jahren. Ottonormalverbraucher benötigte mit einem VW Käfer oder Opel Kadett schon mal 20 Sekunden für die gleiche Beschleunigung. Die Höchstgeschwindigkeit gab Lamborghini seinerzeit etwas zu optimistisch mit 300 km/h an. Immerhin schaffte das Auto aber 275 km/h.

Licht und Schatten

In der Fachpresse kam der Lamborghini Miura sehr gut an. Als Willy Lanek als einer der ersten Journalisten für die Zeitschrift „Hobby“ 1967 einen Miura testen durfte, war schwer beeindruckt. Er hatte sich auf der Autobahn Mailand-Turin einen erfolgreichen Zweikampf mit einem „sehr bekannten und schnellen Sportwagen“ geliefert. Dass er danach eine Vollbremsung wegen belegter Überholspur einlegen musste und erleichtert feststellen durfte, dass auch die Bremsen des Wagens hielten, was Design und Geschwindigkeit versprachen, war er vollends von dem neuen Lamborghini überzeugt.

Allerdings gab es auch eine ganze Reihe von Kritikpunkten, die dem Miura den Ruf einer launischen Diva einbrachten. Der Wagen war weder für die Allgemeinheit konstruiert, noch technisch ausgereift. Neben verglühenden Kupplungen und Motorbränden war der Wagen im Grenzbereich schwer beherrschbar. Als der Rennfahrer Jose Rosinski 1970 für die Zeitschrift „Sport Auto“ einen Miura P 400 S testete, reagierte der nicht vollgetankte Wagen auf die veränderte Gewichtsverteilung durch eine geringere Benzinmenge in dem vorne eingebauten Tank und hob bei 289 km/h ab. Spoiler, die für mehr Bodenhaftung hätten sorgen können, fehlen komplett. Der Miura ist aerodynamisch nicht auf die Geschwindigkeiten ausgelegt, die sein Antrieb ermöglicht. Der ansonsten gut ausbalancierte Stier bäumt sich bei hohem Tempo leicht auf und ist dann schwer im Zaum zu halten.

Das Auto ist außerdem furchtbar unkomfortabel. Zwar hatte man einiges erdacht, um Lärm und Temperaturentwicklung des hinter der Fahrgastzelle platzierten Motors in Grenzen zu halten, doch war man damit nicht wirklich erfolgreich. Der belgische Rennfahrer und Motorsportjournalist Paul Frère bescheinigte dem Miura 1967 ein Geräuschniveau unter dem eines Porsche Carrera 6. Dabei sei die Bemerkung erlaubt, dass der Carrera 6 ein reiner Rennwagen ohne jegliche Geräuschdämmung ist. Ein Radio oder auch eine angeregte Unterhaltung mit dem Beifahrer kann man sich also getrost sparen. Mangels Servolenkung fordert das Auto vom Fahrer ohnehin volle Konzentration. Die Aufmerksamkeit des Beifahrers dürfte bei hohen Geschwindigkeiten eher auf den kurios wirkenden Haltegriff an der Mittelkonsole gerichtet sein. Die hervorragende, rennsportmäßige Straßenlage entschädigt aber allemal für die kleinen Macken und Launen des Autos. Ein zahmer Sportwagen wäre schließlich langweilig.

Innenraum des Lamborghini Miura
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Riley from Christchurch, New Zealand, Ooh, what's this in? (8484138609), CC BY 2.0

Der Beifahrer hat einen Haltegriff, der Fahrer sollte beide Hände am Steuer lassen.

Konsequente Leistungsentwicklung

In den sechs Jahren Bauzeit des Miura blieb es natürlich nicht bei 350 PS. Als Weiterentwicklung gab es ab 1968 mit dem P 400 S eine leistungsstärkere Version mit 370 PS, innenbelüfteten Bremsscheiben und einer überarbeiteten Hinterachse, die ein Jahr später den P 400 komplett ablöste. 1971 kam dann für den P 400 S der P 400 SV. Der superschnelle Stier (SV steht für Super Veloce) leistet 385 PS, soll bis zu 295 Stundenkilometer schnell sein und die Beschleunigung von 0 auf 100 in 5,5 Sekunden schaffen.

Schriftzug des Lamborghini Miura
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Der Schriftzug zeigt, woher der Name kommt, nämlich von einem Kampfstier.

Daneben gab es noch Einzelstücke und Kleinserien. In der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre baute Enzo Stuardi nahezu vollständig aus Ersatzteilen den P 400 Stuardi Sonata mit einer Spitzengeschwindigkeit von 280 km/h und einer Beschleunigung von 0 auf 100 in 6,7 Sekunden. Zu Testzwecken wurde unter der Regie des Lamborghini-Testfahrers Bob Wallace der Miura Jota entwickelt. Zur Gewichtsreduktion wurden viele Karosserieteile aus Aluminium gefertigt, die Seitenscheiben aus Plexiglas. Ein 440 PS starker Motor beschleunigte in 3,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Statt des üblichen Fronttanks wurden zwei 60-Liter-Tanks in die Fahrzeugtüren eingebaut. Ein weiteres Einzelstück ist der 1968 vorgestellte Miura Roadster. Stabilitätsprobleme verhinderten seine Serienfertigung. Nur viermal wurde der Miura SVJ, ein technisch auf den Miura Jota umgerüsteter SV mit 415 PS gebaut. 1974 kam schließlich noch mit dem Miura SVR eine 400 PS starke Rennsportversion mit verbreiterten Kotflügeln, einer schmalen Frontlippe, einem Dachspoiler und nach hinten offenem Heck.

Abgelöst wurde der Miura 1974 vom ebenfalls von Marcello Gandini designten Lamborghini LP 400 Countach. Mit markanten Scherentüren und einem kantigen Design unterscheidet er sich deutlich vom Miura und übernahm in den 1970er-Jahren dessen Rolle als Trendsetter im Sportwagendesign.

Ein exklusives Vergnügen

Die Preise für einen Lamborghini Miura waren und sind schlichtweg hoch. Von den Serienversionen wurden insgesamt nur 764 Stück produziert. Für den Preis von 75.500 DM, die ein Miura 1967 kostete, konnte man auch ein Einfamilienhaus kaufen. Viele Prominente, die für letzteres keine Verwendung hatten, leisteten sich diesen Wagen: Frank Sinatra, der Schah von Persien oder die Opernsängerin Grace Bumbry. Anfang der 1990er-Jahre schossen die Preise im Gleichschritt mit Ferrari in die Höhe, sodass ein Miura über 300.000 Euro kosten konnte. Heute dürfte man diesen Oldtimer nicht unter 250.000 Euro kaufen können, wenn man überhaupt einen bekommt. Hinzu kommen hohe Wartungs- und Unterhaltskosten und ein Verbrauch von deutlich über 20 Litern auf 100 Kilometern. Zum Fahren eines Miura braucht man also nicht nur eiserne Nerven, sondern vor allem einen dicken Geldbeutel.

Leider keine Neuauflage

Zum 40. Geburtstag des Autos hat Lamborghini mit dem Miura Concept eine Studie vorgestellt, die genauso atemberaubend aussieht, wie das Original. Die legendäre Silhouette ist dabei fast unangetastet geblieben. Wer Retroautos mag und jetzt die Suche nach einem Original einstellen möchte, wird allerdings enttäuscht. Der Miura Concept steht im Lamborghini-Museum in Sant’Agata Bolognese, eine Serienfertigung ist nicht geplant. Der Ur-Miura bleibt also einzigartig und einer der schönsten Oldtimer aller Zeiten.

Lamborghini Miura Concept
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smartvital from Berlin, Germany - smartvital from Berlin, Germany, Lamborghini Miura Concept, CC BY-SA 2.0

Die Studie „Miura Concept“ im Lamborghini-Museum.