02.03.2020

60 Jahre Volvo P1800

Innovative Sicherheitstechnik, leistungsstarke Motoren und vor allem Ausstrahlung muss ein Sportcoupé heute bieten, um zum Verkaufsschlager zu werden. Im hohen Norden gelang dieses Kunststück bereits vor 60 Jahren mit dem Volvo P1800. Der schwedische Autobauer lieferte eine Marken-Ikone im Stil eines italienischen Gran Turismo, die weltweit zum Verkaufsschlager wurde. Der Oldtimer hat das Aussehen vieler Autos der Marke Volvo bis heute beeinflusst.

Ein schöner Schwede

Volvo hatte Ende der 1950er-Jahre den Ruf, ein Spezialist für Kombis zu sein. Nun sind Kombis naturgemäß zweckmäßige Fahrzeuge, bei denen der Nutzwert als Transportmittel mit großem Gepäckvolumen im Vordergrund steht. Dieses biedere Image versuchten die Schweden im Januar 1960 auf dem Brüsseler Autosalon mit ihrem neuen Modell P1800 aufzubessern. Sie stellten einen bereits sehr seriennahen Prototyp eines Sportcoupés vor und hatten Erfolg. Volvo etablierte sich damit fast augenblicklich im Kreis der renommierten Sportwagenhersteller.

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Ein Traum von einem Sportcoupé: Die ersten Baujahre des Volvo P1800 sind an den Kuhhörnern der Frontstoßstange zu erkennen.

Die Silhouette des überaus emotionalen Sportcoupés stammt aus der Feder des schwedischen Nachwuchsdesigners Pelle Petterson, der damals Mitarbeiter des italienischen Automobildesigners Pietro Frua war. Seit 1957 hatte Petterson an der Form des ersten Großserien-Coupés von Volvo gefeilt. Das Resultat war Volvos spektakulärstes Sportcoupé – eine Marken-Ikone.

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Pelle Petterson: Der Vater des Volvo-Sportcoupés.

Die technische Basis für den P1800 ist eine Limousine der eigenen Produktpalette: der Volvo Amazon P120. Sein 1,8-Liter-Vierzylinder-Reihenmotor sorgt mit seinen 90 PS für sportliche Fahrleistungen des neuen 2+2-Sitzers. Eine Spitzengeschwindigkeit von 170 Stundenkilometern war in den 1960er-Jahren eine echte Ansage.

Ein internationales Auto

Bereits seit den 1930er-Jahren hatte Volvo Fahrgestelle für Coupés anderer Hersteller geliefert. Nun wollte man mit Pettersons Entwurf im Stil eines italienischen Gran Turismo ein eigenes Sportcoupé liefern, das neue Absatzmärkte vor allem in Asien und Nordamerika öffnen sollte.

Doch nicht nur die Märkte für den P1800 sollten international sein, auch der Fertigungsprozess war es, zumindest anfangs. Das „italo-schwedische“ Karosseriedesign wurde bei der Pressed Steel Company im schottischen Linwood umgesetzt und in England bei Jensen Motors in West Bromwich auf die schwedische Basis montiert. Allerdings gab es deutliche Qualitätsmängel. Die ersten 250 Einheiten mussten vor ihrer Auslieferung an die Kunden in Göteborg nachgebessert werden. Gelöst wurde dieses Problem erst 1963 mit der Verlagerung der Montage in das Volvo-Werk in Lundby. Das Auto bekam dort den Namenszusatz „S“ für „Sverige“, um auf den neuen Qualitätsstandard hinzuweisen. Damit kam endlich auch der gewünschte weltweite Erfolg des Schweden-Coupés. 1969 wurde schließlich auch die Karosseriepressung von Schottland ins Volvo-Werk in Olofström in Schweden verlegt.

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Made in Sweden: Das „S“ im Modellschriftzug.

Bahnbrechendes Sicherheitskonzept

Volvos P1800 sprach in den 1960er-Jahren aber nicht nur die Emotionen der Kunden an. Es hat damals sicher ebenso wie heute zum Selbstverständnis des schwedischen Autobauers gehört, Fahrzeuge mit einem innovativen Insassenschutz zu bauen. So verfügt der P1800 als erstes Sportcoupé der Welt serienmäßig über Sicherheitsgurte auf allen vier Sitzplätzen. Das System hielt im wahrsten Sinne des Wortes, was es versprach. Volvo Deutschland bewies das eindrucksvoll, indem man zu Demonstrationszwecken im Jahr 1961 im Hamburger Hafen einen P1800 an einem Kran einzig und allein an seinen Dreipunktgurten baumeln ließ. Auch die Ladungssicherung kam nicht zu kurz, denn erstmals wurden Ledergurte im Gepäckraum eines Autos integriert, die auch schwere Gepäckstücke sicher festhalten.

Ein Auto für einen „Heiligen“

Vermutlich war es die rassige Sportcoupé-Form, die Silhouette mit der langestreckten Motorhaube und den Finnen am Heck, die einen Volvo P1800 S zum Dienstwagen des britischen Detektivs Simon Templar in der Fernsehserie „The Saint“ werden ließ. Templar-Darsteller Roger Moore war offenbar so angetan von dem Sportcoupé, dass der auch privat einen P1800 S fuhr, natürlich in polarweiß, der Farbe von Templars Wagen. Ein weiterer prominenter Fahrer, der schwedische König Carl XVI. Gustaf fuhr nacheinander mehrere P1800. Zu spätem Filmruhm kam das Auto noch im Jahr 2015 in Steven Spielbergs „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ als Wagen des DDR-Rechtsanwalts Wolfgang Vogel.

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Matti Blume, Techno Classica 2018, Essen (IMG 9978), CC BY-SA 4.0

Das Originalfahrzeug aus der Serie „The Saint“ mit dem Kennzeichen „ST 1“ für Simon Templar.

Unglaubliche Rekordfahrt!


Im Jahr 1966 erwarb der US-Amerikaner Irv Gordon einen roten P1800 S, mit dem er 2013 nach 3 Millionen Meilen beziehungsweise über 4,8 Millionen Kilometern ins Guinness Buch der Rekorde aufgenommen wurde. Ohne größere Reparaturen fuhr Gordon bis zu seinem Tod im November 2018 insgesamt etwa 5,2 Millionen Kilometer mit diesem Auto.

Modellpflege und Varianten

Tatsächlich musste im Laufe der Jahre nicht viel geändert werden, um das Schweden-Coupé attraktiv zu halten. Mit der Produktionsverlagerung nach Schweden bekam der P1800 S eine Leistungssteigerung von sechs auf nun 96 PS. Damit erreicht der Wagen 175 Stundenkilometer und beschleunigt von 0 auf 100 in 12,1 Sekunden. Im Jahr 1964 wurde die Stoßstange mit den auffälligen Kuhhornbögen begradigt. Vier Jahre später bekam das Auto einen komplett neuen Motor. Zwar blieb die Modellbezeichnung erhalten, aber der Hubraum war auf 1986 Kubikzentimeter gewachsen. Die nun zur Verfügung stehenden 105 PS beschleunigen das Auto auf 180 Stundenkilometer. 1969 löste schließlich der P1800 E mit Bosch D-Jetronic-Einspritzung die ursprüngliche Version mit zwei Gleichdruckvergasern ab. Durch die Einspritzung kommt der P1800 E auf 124 PS und ist 190 Stundenkilometer schnell.

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1970 Volvo P1800 E coupe (20396408395), CC BY 2.0

Am Heck der Einspritzerversion P1800 E tritt das „E“ an die Stelle des „S“.

Neben dem Coupé aus Schweden gab es auch einige Cabrios als Kleinserien, beispielsweise vom US-amerikanischen Volvohändler Volvoville in Amityville. Studien des Autos als Fastback lieferten die italienischen Karosseriespezialisten Carrozzeria Fissore in Savigliano und Coggiola Carrozziere in Beinasco bei Turin.

Im Jahr 1971 brachte Volvo selbst eine spektakuläre Variante auf den Markt, den P1800 ES. Mit diesem Kombi-Coupé schufen die Schweden den Prototyp des modernen Shooting Brake. In Deutschland ist das Auto wegen seiner großen gläsernen Heckklappe und den großen hinteren Seitenscheiben als „Schneewittchensarg“ bekannt geworden. Offiziell sollte man darin mühelos eine Golfausrüstung transportieren können. Tatsächlich versuchte Volvo aber, die Anfang 1970 in den USA eingeführte Steuererhöhung für Sportwagen zu umgehen.

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Viel Platz für Gepäck und eine freie Sicht ins Innere: Der „Schneewittchensarg“.

Dreizehn Jahre nach der Präsentation des P1800 war nach insgesamt 47.885 produzierten Fahrzeugen Schluss. 1973 lief der letzte „Schneewittchensarg“ vom Band. 8.077 dieser Sportkombis wurden gebaut. Für das Coupé kam das Aus nach 39.778 Exemplaren bereits ein Jahr früher. In der Klassikerszene ist der Oldtimer heute in beiden Versionen wegen seiner zeitlosen Eleganz sehr beliebt. Seine 60 Jahre sieht man ihm eigentlich gar nicht an. Je nach Zustand sind zwischen 12.000,- und 60.000,- € ein realistischer Preis.