14.08.2019

Zora Arkus-Duntov: Der Vater der Corvette

Die erste Chevrolet Corvette gab es bereits, als Zora Arkus-Duntov 1953 als Ingenieur zu General Motors kam. Doch erst der aus Belgien stammende Ingenieur mit russischen Wurzeln erkannte ihr Potential und brachte das Auto in die Erfolgsspur zum erfolgreichsten US-Sportwagen aller Zeiten. Bis heute ist sein Name untrennbar mit dem Auto verbunden: Er gilt als der „Vater der Corvette“.

Die erste Corvette war ihm nicht gut genug

Als der am 25. Dezember 1909 in der Nähe von Brüssel geborene Zora Arkus-Duntov 1953 auf der GM Motorama Show in New York die Corvette C1 zu Gesicht bekam, gefiel ihm das Auto durchaus. Aber er hielt es mit dem nur 150 PS starken Sechszylindermotor und einer Spitzengeschwindigkeit von 172 Stundenkilometern auch für zu langsam und untermotorisiert. Das harte Urteil kam nicht von ungefähr. Arkus-Duntov war ein Sportwagenexperte. Nach seinem 1934 abgeschlossenen Studium an der TU Berlin war der Fachmann für Motorenentwicklung und Turboaufladung zunächst Berater des Mercedes Grand Prix Rennteams. 1940 emigrierte er in die Vereinigten Staaten von Amerika und gründete zusammen mit seinem Bruder Yuri den Automobilzulieferer Ardun Power Products. Zu Beginn der 1950er-Jahre war er Sportwagenentwickler und Werksfahrer beim britischen Automobilhersteller Allard. Seine Vorstellungen zur Verbesserung der Corvette schrieb er an den damaligen GM-Chefentwickler Ed Cole, der davon offensichtlich so beeindruckt war, dass er Arkus-Duntov zum 1. Mai 1953 als Ingenieur einstellte.

Ein Sportwagenmotor gehört in die Fahrzeugmitte

Arkus-Duntov nahm vordringlich das Problem der schwachen Motorisierung in Angriff, das die Corvette bei Chevrolets Kundschaft bis dato eher unbeliebt gemacht hatte. Mitte der 1950er-Jahre war er bereits zum Chefkonstrukteur aufgestiegen und verpasste der C1-Baureihe anstelle des bisherigen Sechszylinders einen V8-Small Block. Der Motor hatte mit 195 PS deutlich mehr Leistung und war der erste Schritt zu einem ernsthaften Sportwagen und zum Markterfolg. Durch seine Erfahrungen im Rennsport wusste der experimentierfreudige Ingenieur, dass die Corvette noch lange nicht ausgereizt war. Die Fahrdynamik schrie geradezu nach einem Mittelmotor. Dann würde der V8 das Auto zu einem wirklichen Sportwagen machen. Die Konkurrenz hatte schließlich den Motor seit jeher dort eingebaut, wo er bei einem echten Rennwagen hingehört: hinter die Fahrgastzelle. Bezeichnenderweise kamen Mittelmotorsportwagen bei GM trotz der Beharrlichkeit Arkus-Duntovs und zahlreicher Prototypen aber nie zur Marktreife. Ihre Entwicklung war entweder zu teuer oder sie kamen zu einen Zeitpunkt, der eine Serienproduktion aus anderen Gründen vereitelte. So blieb GM noch bis zur 2013 eingeführten Corvette C7 dem Frontmotorenkonzept treu.

Prototyp um Prototyp

1959 hatte Arkus-Duntov mit dem einsitzigen CERV-I (Chevrolet Engineering Research Vehicle) das erste Mittelmotorfahrzeug entwickelt. In der Formel 1 setzten sich zu dieser Zeit Mittelmotor-Rennwagen durch und der 355 PS starke CERV-I mit einem 4,6-Liter-V8-Motor sollte ein Indycar-Rennauto werden, kam aber über Testfahrten hinaus nie auf die Rennstrecke.

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General Motors, CERV I, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Mit dem Prototyp CERV-I begannen die Mittelmotorversuche bei GM.

Auch bei der Corvette blieb Arkus-Duntov nicht untätig. 1962 brachte er mit der von Bill Mitchell designten Corvette C2 Sting Ray eine Weiterentwicklung auf den Markt, die heute ein Sportwagenklassiker ist. Dass sich Mitchell und Arkus-Duntov ein Jahr später über den Mittelsteg im Heckfenster stritten und das 1963er-Modell, die „Split-Window-Vette“, so zum heute gesuchtesten Oldtimer im Chevrolet-Programm machten, sei nur am Rande erwähnt.

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sv1ambo, 1963 Chevrolet C2 Corvette Stingray coupe (6997873806), CC BY 2.0

Die Corvette C2 Sting Ray.

Der nächste Anlauf zum Mittelmotorsportwagen kam 1964. Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans war zum weltweit beachteten Motorsport-Event geworden. Ein Sieg eines amerikanischen Sportwagens in Europa wäre ein großer Triumph gewesen und hätte das Markenimage beflügelt. Schließlich war es der Ford GT40, der von 1966 an viermal in Folge in Le Mans gewann. Der mit einem 6,2-Liter großen V8-Motor 497 PS starke Chevrolet CERV-II, der später sogar mit einem noch kraftvolleren, 557 PS starken 7-Liter-V8 ausgestattet wurde, sollte ebenfalls das Siegertreppchen erklimmen. Geldsorgen verhinderten letztlich seinen Start und einen Rennsporterfolg, der eine Serienproduktion hätte anstoßen können. Die Krise um die Chevrolet Corvair, auf deren Fahreigenschaften Unfälle mit Todesfolge zurückgeführt wurden, mit einer Kampagne durch Verbraucherschützer belasteten die Konzernfinanzen dermaßen, dass alle Motorsportaktivitäten vorübergehend eingestellt werden mussten. Arkus-Duntov versuchte zwar noch, aus dem CERV-II einen Prototyp für eine Super-Corvette zu machen, scheiterte aber auch damit. So wurde das Auto das zweite „Mittelmotor-Einzelstück“, das es weder auf die Straße noch auf die Rennstrecke schaffte.

Ein neuer Prototyp entstand vier Jahre später mit dem XP-880 oder Astro II. Das Auto hat viel mit der im gleichen Jahr vorgestellten Corvette C3 gemein. Tatsächlich wäre Arkus-Duntov bei diesem Modellwechsel am liebsten komplett auf den Mittelmotor umgestiegen und verwendete für den Prototyp viele C3-Komponenten. Doch wieder standen die Kosten einer Serienfertigung im Weg.

In den 1970er-Jahren folgten weitere Anläufe mit Mittelmotor. 1970 entstand der XP-882 mit quer eingebautem 6,5-Liter-V8, der Publikum und Fachpresse begeisterte. Er hätte wohl endlich die erste Mittelmotor-Corvette werden können. Allerdings sorgte Chevrolet-Manager John DeLorean dafür, dass die Entwicklung nicht weiter verfolgt wurde. Zwei Jahre später baute Arkus-Duntov auf der Basis dieses Prototyps den XP-895 mit zwei verschiedenen Versionen mit Stahlblech- und Aluminiumkarosserie. Die nach dem GM-Lieferanten Reynolds Metals auch „Reynolds-Corvette“ genannte Leichtmetallversion sparte über 200 Kilogramm Gewicht ein. Eine Serienfertigung verhinderte letztlich der anhaltende Markterfolg der Corvette C3.

Mittlerweile hatten hatten NSU und Mazda den Wankelmotor marktreif gemacht. Auch GM hatte einen Zweischeiben-Wankelmotor mit 182 PS entwickelt, den die Verantwortlichen nun in der Serienproduktion verwerten wollten. So stellte man auf der 1973 auf der IAA in Frankfurt den XP-897GT auf einem Porsche 914-Chassis vor – die „Two-Rotor Corvette“. Sie sollte in der Modellpalette unterhalb der Corvette C3 angesiedelt sein. Der Motor war auch als Alternative in der Corvette und im seit 1970 gebauten Chevrolet Vega geplant. Das setzte man allerdings nie um. Da GM die Lizenzgebühren für die Entwicklung des Wankelmotors wieder einspielen wollte, blieb die Corvette aber eine Option. Arkus-Duntov liebte das Motorenkonzept zwar überhaupt nicht, entwickelte zusammen mit Bill Mitchell das Auto trotzdem in diese Richtung weiter. So kam noch im gleichen Jahr die „Four-Rotor Corvette“ mit modifiziertem Wankelmotor. Die von Mitchell entworfene Karosserie erinnerte noch stark an die Corvette C3, nahm aber auch einiges von der späteren C4 vorweg und war darüber hinaus mit spektakulären Flügeltüren ausgestattet. Der Motor war allerdings ein echter Spritfresser, sodass durch die 1973 beginnende Ölkrise an eine Serienproduktion nicht mehr zu denken war.

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Prayitno / Thank you for (12 millions +) view from Los Angeles, USA, 1973 Aerovette (32379982731), CC BY 2.0

Die Chevrolet Aerovette ging nie in Serie.

Nach dem Aus des Wankelmotors entwickelte Arkus-Duntov auf Basis des XP-895 die Chevrolet Aerovette mit dem althergebrachten V8-Aggregat. Der neue Prototyp traf er wiederum den Geschmack des Publikums. Da sich Arkus-Duntov aber 1975 als Chefingenieur bei GM zur Ruhe setzte und nur noch beratend tätig war und zwei Jahre später auch Designer Bill Mitchell GM verließ, um eine eigene Designfirma zu gründen, beließ GM die erfolgreiche Corvette C3 unverändert im Programm. Aber auch nach dem Ausscheiden des federführenden „Mittelmotorkopfes“ verfolgten die GM-Ingenieure sein Konzept weiter: zunächst ohne Erfolg. 1986 scheiterten sie mit der Corvette Indy ebenso an den Kosten wie 1990 mit dessen Weiterentwicklung CERV-III. Beides waren sündhaft teure Technologieträger, die preislich in einer Liga mit den Supersportwagen Ferrari F40, Porsche 959 oder Jaguar XJ220 hätten spielen müssen. Mit dem Chevrolet-Image hätte man sie aber niemals so teuer verkaufen können.

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Die Corvette Indy im National Corvette Museum in Bowling Green, Kentucky, USA.

Endlich eine Mittelmotor-Corvette!

Zora Arkus-Duntov hat als „Vater der Corvette“ den Wagen nicht nur zum Klassiker und gesuchten Oldtimer gemacht, sondern seine Idee eines Mittelmotorsportwagens bei GM gegen alle Widerstände weiter verfolgt. Er verstarb am 21. April 1996 im Alter von 86 Jahren und konnte den Triumph seines so geliebten Mittelmotors im Jahr 2019 in der Chevrolet Corvette C8 nicht mehr miterleben. Er hätte sich sicher sehr gefreut, dass sein Traum mit der achten Fahrzeuggeneration, 66 Jahre nach der ersten Corvette, endlich wahr geworden ist.

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Gotbeefboy564, C8001, CC BY-SA 4.0

Prototyp der Straßenversion der Corvette C8.